Öffentliche Aufträge – nur nach Tarif! Mehr soziale und ökologische Standards bei Vergabe

Damiano Valgolio

Ab Ende 2022 müssen alle Unternehmen, die in Berlin öffentliche Aufträge erhalten, ihre Beschäftigten nach dem Tarifvertrag der jeweiligen Branche bezahlen. Die so genannte Tariftreue-Klausel im Berliner Vergabegesetz wird dann endlich in Kraft gesetzt. Die gesetzliche Regelung gibt es schon seit über zwei Jahren. Doch Teile der Verwaltung sträubten sich lange, die formalen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Tariftreue-Klausel auch tatsächlich angewendet werden kann. DIE LINKE hat im rot-grün-roten Senat und im Abgeordnetenhaus permanent Druck gemacht. Nun ist es endlich so weit: Berlin hat die bundesweit weitgehendste und effektivste Regelung zur Tariftreue bei der öffentlichen Vergabe. Damit setzen wir unseren Grundsatz: »Öffentliches Geld nur für gute Arbeit« weiter um. Als zusätzliche Untergrenze soll der Vergabemindestlohn noch in diesem Jahr auf 13 Euro brutto pro Stunde angehoben werden.

Damit die Tarifverträge unkompliziert von den Unternehmen angewendet werden können, hat die LINKE Arbeitssenatorin Katja Kipping schon Anfang des Jahres das digitale Tarifregister an den Start gebracht. Dort können auch Arbeitnehmer, die für öffentliche Aufträge eingesetzt werden, einfach online nachschauen ob ihr Arbeitgeber korrekt zahlt. Das Land Berlin vergibt pro Jahr Aufträge im Gesamtwert von rund fünf Milliarden Euro an private Unternehmen. Dazu gehören Bauprojekte, Reinigungsaufträge oder etwa die Beschaffung von Schulmöbeln. Für uns ist klar, dass die öffentliche Hand kein Auftraggeber wie jeder andere ist. Das Land ist in der Pflicht, mit seinem enormen Auftragsvolumen auch soziale und ökologische Standards zu setzen. Unternehmen, die öffentliche Aufträge erhalten, müssen deshalb beispielsweise die ILO-Kernarbeitsnormen einhalten. Und ihnen können konkrete Vorgaben zu Nachhaltigkeit und ökologischer Materialbeschaffung gemacht werden. Auch Aspekte wie Frauenförderung können bei der Ausschreibung zum Auswahlkriterium gemacht werden.

Natürlich ist jede Regelung nur so gut, wie sie in der Praxis tatsächlich angewendet und kontrolliert wird. In Berlin werden die öffentlichen Aufträge nicht alle von einer zentralen Stelle ausgeschrieben. Die Ausschreibungen erfolgen durch unzählige Verantwortliche in den Bezirksämtern und den Senatsverwaltungen. Die Koalition hat sich vorgenommen, diese Auftraggeber schulen zu lassen, damit sie die sozialen und ökologischen Vergabekriterien wirklich zur Anwendung bringen und rechtssicher ausschreiben.

Um zu kontrollieren, ob die Unternehmen die Vorgaben der öffentlichen Vergabe tatsächlich einhalten, gibt es die so genannte Kontrollgruppe. Diese kann sich etwa die Entgeltabrechnungen der Unternehmen zeigen lassen, um zu prüfen, ob der vorgeschriebene Tarifvertrag eingehalten wird. Oder sie kann die Materiallisten checken, um ökologische Standards sicher zu stellen. Das Problem ist, dass diese Kontrollgruppe personell viel zu schlecht besetzt ist. Deshalb setzt sich DIE LINKE für einen deutlichen Personalaufbau ein. Da es nicht einfach ist, schnell ausreichend Kontrolleure zu finden, sollten auch externe Experten einbezogen werden. Die Sozialkasse des Berliner Baugewerbes (SoKa Bau) hat angeboten, solche Aufgaben zu übernehmen. Gemäß § 16 Absatz 8 des Berliner Vergabegesetzes ist das ausdrücklich möglich.

Damiano Valgolio, Mitglied des Abgeordnetenhauses für DIE LINKE
klar.links Ausgabe #6 November/Dezember 2022