Warum wir am 8. März feiern und streiken

Judith Daniel und Kerstin Wolter

Vor einem Jahr hat der Berliner Senat den 8. März – den internationalen Frauenkampftag – zum Feiertag erklärt. Damit wurde der Bedeutung der feministischen Kämpfe für die Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern ein Zeichen gesetzt. Der 8. März geht auf die internationalen sozialistischen Frauenkämpfe zurück und wurde 1911 zum ersten Mal in Deutschland, den USA, der Schweiz, Dänemark und Österreich begangen. Ziel war damals die Einführung des Wahlrechts für Frauen. Doch sozialistischen Feministinnen ging es heute wie damals um mehr als das.
Denn auch wenn wir den 8. März in Berlin nun offiziell »feiern«, heißt das nicht, dass wir am Ziel sind. Bundesweit verdienen Frauen im Durchschnitt immer noch 21 Prozent weniger als Männer. In Berlin ist die Lohnlücke zwar nicht ganz so groß, mit 14 Prozent sind wir aber auch hier noch weit von einer Lohngleichheit entfernt. Diese Lohnunterschiede entstehen, da Frauen häufiger in unsicheren Jobs mit geringen Löhnen arbeiten. Zudem arbeitet fast jede zweite Frau in Deutschland in Teilzeit, im Gegensatz zu neun Prozent der Männer. Meist ist der Grund hierfür, dass Frauen Kinder erziehen oder Angehörige pflegen. Niedriglöhne und Teilzeitarbeit führen für viele Frauen später zu Altersarmut. Als LINKE fordern wir deswegen einen Mindestlohn von 12 Euro – perspektivisch höher – sowie die volle Anrechnung von Kindererziehung und eine bessere Anrechnung von Pflegezeiten auf die Rente, die mindestens bei 1.050 Euro liegen muss. Gerade in der Pflege, einer Branche, in der mehrheitlich Frauen arbeiten, sind die Löhne häufig niedrig – vor allem in der Altenpflege.

Zudem mangelt es an Personal, was zu einer besonderen Belastung der Pfleger*innen und einer schlechteren Versorgung der Patient*innen nungen. Immer wieder kommt es vor, dass Frauenhäuser schutzbedürftige Frauen abweisen müssen. Nicht selten bleibt dann nur der Weg zurück zum gewalttätigen Partner. Noch schwieriger wird die Situation, wenn eine Frau mit Kindern aus ihrer Wohnung fliehen muss. Denn Frauenhausplätze sind nur für eine kurze Übergangszeit von etwa drei Monaten vorgesehen. Wenn aber keine bezahlbare Wohnung gefunden werden kann, werden die Plätze immer länger besetzt und für Neuzugänge blockiert. Bei der Wohnungssuche helfen beispielsweise Vereine wie Hestia e.V., die aber die Erfahrung machen, dass nicht wenige Frauen irgendwann aufgeben und doch in eine gewalttätige Beziehung zurückkehren. Auch das ist also eine der traurigen Schattenseiten des Berliner führt. Deshalb fordern wir als LINKE: 100.000 Pflegekräfte mehr in Krankenhäusern, 40.000 Fachkräfte mehr in der Altenpflege, ein verbindlicher Personalschlüssel und ein Mindestlohn von 14,50 Euro in der Altenpflege.

Dass es nach über hundert Jahren Frauenbewegung immer noch so große Ungerechtigkeiten zwischen den Geschlechtern gibt, hat seinen Grund. Und der liegt im Kapitalismus selbst, der darauf zielt, dass möglichst viel Profit erzielt wird. Sorge- und Pflegearbeit ist für uns alle überlebenswichtig und sie kostet Zeit und Geld. Also werden jahrhundertealte Rollenmuster genutzt, um Frauen unter schlechten Bedingungen oder sogar kostenlos arbeiten zu lassen. Durch Arbeitskämpfe, z.B. in Krankenhäusern, und Druck von der Straße können wir den Profitdruck zwar immer wieder zurückdrängen. Am Ende müssen wir dieses System aber ganz überwinden, wenn wir an den Verhältnissen etwas ändern wollen. Deshalb rufen Frauen in vielen Städten Deutschlands am 8. März zum Streik auf – am Arbeitsplatz, aber auch zu Hause. DIE LINKE schließt sich diesem Aufruf an. In Berlin wollen wir auch an diesem 8. März nicht nur feiern, sondern auch kämpfen. Wir sind noch lange nicht fertig.

Judith Daniel und Kerstin Wolter
klar.links Ausgabe #2 März/April 2020