Neue Straßenbahn bei Landesbibliothek mit einplanen

Karl-Heinz Ludewig

Am Standort der Amerika-Gedenkbibliothek (AGB) am Blücherplatz soll der Neubau der Zentral- und Landesbibliothek (ZLB) errichtet werden, so hat es der Senat 2018 entschieden. Benötigt wird mit 38.000 Quadratmetern das Mehrfache an Platz und die Flächen rechts und links der AGB kommen für Neubau in Frage. Eine Entwidmung des Teilstücks der Blücherstraße hinter der AGB für eine Ersatzgrünfläche bei Nutzung des Blücherparks für den Neubau hat die BVV FriedrichshainKreuzberg bereits 2016 beschlossen (Drucksache DS 1088/IV). 2026 soll Baubeginn sein.
Eine gute Anbindung der neuen ZLB an den öffentlichen Nahverkehr ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit und der nahegelegene U-Bahnhof Hallesches Tor mit U1/3 und U6 bietet schon eine gute Anbindungsqualität. Nun sieht der rot-rot-grüne Koalitionsvertrag vor, dass 2021 mit der Planung zwei weiterer Straßenbahnstrecken begonnen werden soll. Eine soll vom Potsdamer Platz über Hermannplatz und Sonnenallee nach Schöneweide führen und die andere vom Alexanderplatz über Spittelmarkt zum Mehringdamm. Beide Linien kämen am Halleschen Tor vorbei und sie würden sich dort kreuzen. Was liegt da näher, als diese so zu planen, dass sie eine günstige, sprich kurze Umsteigeverbindung zu den U-Bahnhöfen am Halleschen Tor ergeben und gleichzeitig eine Nähe zum Eingang der neuen ZLB haben? Optimal wäre ein Kreuzen der Straßenbahnstrecken mit gemeinsamer Haltestelle auf der Hallesche-Tor-Brücke, dort wo heute Busse ihre Haltestelle haben.
Erste öffentliche Veranstaltungen zum Planungsbeginn der ZLB haben stattgefunden, ein Bedarf von 800 Parkplätzen wird gesehen. Doch die Straßenbahn kommt in den Überlegungen zur ZLB bisher auf Senatsseite nicht vor. Sie könne ja dann hinter der ZLB verlaufen, so ein Senatsvertreter bei einer Veranstaltung. In der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung zur Bibliothek ist die Vorzugsvariante eine Überbauung des gesamten Blücherparks. Aus Richtung Zossener-, Blücher- und Johanniterstraße könnten dann Fußgänger und Radfahrer den Eingang der ZLB nur umwegig über das Waterlooufer erreichen. Eine Straßenbahn, die von der Stresemannstraße kommt und weiter in die Blücherstraße fahren will, hätte auch Umwege über das Ufer zu machen.
Früher fuhr die Straßenbahn an der 1954 eröffneten AGB direkt vorbei. Nach Einstellung der Straßenbahnlinien im Mai 1965 kam es zum autogerechten Umbau mit breiten Verkehrsschneisen am Ufer und Verlegung von Blücherstraße und Mehringdamm im Bereich der AGB.
Eine im Sinne der Fahrgäste sinnvolle Straßenbahn-Führung würde dem heute hier alles dominierenden Autoverkehr Raum nehmen. Gelingt jedoch keine Integration der Straßenbahn zwischen ZLB und U-Bahnhöfen wäre die Chance auf Wiederbelebung eines lebendigen Umfeldes vertan. Vom BUND, der sich mit viel Fachwissen in die Planung der ZLB eingemischt hat, gibt es für die Führung der Straßenbahn-Linien zwei Varianten: Eine mit Bündelung der Haltestelle auf der Hallesche-Tor-Brücke und eine mit Haltestelle auf dem Blücherplatz (siehe Abbildungen). Dringend ist es jedenfalls, dass die Variantenuntersuchung zur Straßenbahn zum Bestandteil der städtebaulichen Machbarkeitsstudie der ZLB wird. Es liegt auf der Hand, dass beide Planungen miteinander erfolgen müssen und nicht nacheinander.

Karl-Heinz Ludewig

klar.links Ausgabe #1 Januar/Februar 2020