Erpresserischer Karstadt-Deal - Bezirk droht Verlust der Planungshoheit am Hermannplatz

Der Senat hat im Bemühen, möglichst viele der von Schließung und Stellenabbau bedrohten Kaufhausstandorte und Arbeitsplätze von Karstadt-Kaufhof in Berlin zu retten, eine umstrittene Absichtserklärung (Letter of Intent) mit dem Mutterkonzern SIGNA geschlossen, der sich im Eigentum des österreichischen Milliardärs Rene Benko befindet. Eigentümer und Insolvenzverwalter des angeschlagenen Warenhauskonzerns Karstadt-Kaufhof drohten zunächst sechs der elf in Berlin ansässigen Kaufhausstandorte zu schließen. Nach Verhandlungen des Senats mit SIGNA sind nur noch zwei Berliner Standorte des Warenhauskonzerns von der Schließung betroffen. Dadurch sollen ca. 8oo Arbeitsplätze zumindest mittelfristig – je nach Standort drei bis zehn Jahre – gesichert werden. Im Gegenzug sicherte der Senat dem SIGNA-Konzern entgegenkommen bei mehreren hochumstrittenen (Bau-) Projekten zu – unter anderem am Standort Hermannplatz. So wurde es in der gemeinsamen Absichtserklärung festgehalten.

Doch dagegen regt sich Widerstand aus Friedrichshain-Kreuzberg. Der sog. »Karstadt-Deal« beinhaltet, dass der Senat die Planungshoheit, für das im Bezirk heftig kritisierte Bauvorhaben der SIGNA am Standort Hermannplatz, an sich zieht. Das lehnt die Linksfraktion in der BVV Friedrichshain-Kreuzberg ab! Der »Karstadt-Deal« hat den faden Beigeschmack einer Erpressung! Die Verknüpfung des Erhalts von Arbeitsplätzen mit Zusagen zur Schaffung von Baurecht ist überdies auch aus juristischer Sicht höchst zweifelhaft. Darüber hinaus bleibt es bei der grundsätzlichen Kritik an den monumentalen Bauplänen der SIGNA für den Karstadt am Hermannplatz: Eine Rekonstruktion des ursprünglichen Gebäudes aus der Endphase der Weimarer Republik ist mit Blick auf das Stadtgefüge am Hermannplatz in der heutigen Zeit völlig unangemessen. Die Planungen von SIGNA sehen eine sog. »Mixed-Use-Immobilie« vor, die eher den Charakter einer Shoppingmall hat, da das klassische Warenhaus Karstadt nicht mehr im Mittelpunkt steht. Eine Mischung aus Einzelhandel, Dienstleistungen, Gastronomie, Fitnessangeboten, einer Markthalle, einer öffentlichen Dachterrasse und kulturellen Angeboten, ergänzt in vergleichbarem Umfang durch Büro- und Hotelflächen. Der Hof soll dreigeschossig überbaut werden. Mehrere hundert Millionen Euro will SIGNA in das Projekt investieren – entsprechend hohe (Gewerbe-) Mieten wären die Folge.

Bereits jetzt lässt sich rund um den Hermannplatz eine massive Verdrängung des herkömmlichen Kleingewerbes, das auf den Alltagsbedarf für die lokale Bevölkerung ausgerichtet ist, beobachten. Stattdessen entstehen überwiegend gewerbliche Monostrukturen wie bspw. Gastronomie, die auf Tourismus ausgerichtet sind. Eine monumentale Signa-Mall am Hermannplatz dürfte auf diese Entwicklung wie ein Brandbeschleuniger wirken.
Ferner würde das Bauvorhaben einen zentralen Verkehrsknotenpunkt zweier Bezirke über Jahre hinweg lahmlegen. Auch wäre der vollständige Abriss eines intakten Bestandsgebäudes aus Sicht der Linksfraktion schon aus ökologischen Gründen äußerst zweifelhaft.

Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob nicht der geplante Abriss und Neubau des Gebäudes den dortigen Karstadt-Standort selbst und die dortigen Arbeitsplätze in Frage stellt. Denn die Corona-Krise hat noch einmal deutlich gemacht, dass für den SIGNA-Konzern das Geschäft mit Immobilen im Fokus steht und nicht das Warenhausgeschäft. SIGNA geht es vor allem um die Renditen, die mit dem Bau, der Verwertung und dem Handel von Immobilien in innerstädtischen »Top-Lagen« zu erzielen sind. Die Warenhäuser von KarstadtKaufhof sind daher nur Ressourcen zur Optimierung des Geschäftes mit Immobilien und wurden in Berlin genau in diesem Sinne eingesetzt. Daher sind erhebliche Zweifel angebracht, wenn SIGNA die angekündigten Schließungen ausschließlich mit der Wirtschaftlichkeit der Warenhäuser begründet. Nach Auskunft des SIGNA-Konzerns haben – zumindest bis zum coronabedingten Lockdown - alle Berliner Karstadt-Kaufhof-Filialen schwarze Zahlen geschrieben. Signa hat die Corona-Krise offensichtlich als Chance begriffen, um seinen eigentlichen Interessen im Immobiliengeschäft durchzusetzen.

Unter dem Strich bleibt es eine inakzeptable Form der politischen Erpressung, wenn der Signa-Konzern Hunderte Beschäftigte und ihre Arbeitsplätze an verschiedenen Standorten in unserer Stadt benutzt, um an einem Ort wie dem Hermannplatz seine Interessen als Immobilienkonzern durchzusetzen. Die Linksfraktion in der BVV Friedrichshain-Kreuzberg lehnt jede Politisierung und Instrumentalisierung des Baurechts ab. Wir fordern den Senat auf, die Planungshoheit für das heftig umstrittene Bauvorhaben der SIGNA am Standort Hermannplatz beim zuständigen Bezirk Friedrichhain-Kreuzberg zu belassen und eine behutsame an städtebaulichen Kriterien orientierte Entwicklung des Standortes zu ermöglichen.

Reza Amiri

klar.links Ausgabe #5 September/Oktober 2020