Die Ausbeutung der Paketboten stoppen!

Pascal Meiser

Im vergangenen Jahr berichtete der rbb über einen Paketboten, der im Auftrag des Paketdienstleisters Hermes für das Berliner Subunternehmen »Blitz-Botendienste« Pakete zustellte. 1.800 Euro brutto im Monat wurden Brahim K. in Aussicht gestellt, als er in Spanien angeworben wurde. Er fuhr einen Monat lang von 8 Uhr morgens bis 9 Uhr abends Pakete aus, und das sechs Tage die Woche. Doch am Monatsende musste er mehrfach um seinen Lohn betteln. Irgendwann bekam Brahim K. dann 500 Euro in bar ausgezahlt. Lohnabrechnung und Stundennachweise fehlten, die Miete für die Sammelunterbringung war vom Lohn abgezogen worden. Umgerechnet blieben ihm so am Ende noch rund zwei Euro die Stunde.

Leider ist die Geschichte von Brahim K. kein Einzelfall. Systematische Verstöße gegen Arbeits- und Sozialrecht sind in der Paketbranche umfangreich dokumentiert. Die Gewerkschaft ver.di spricht denn auch von »zum Teil mafiösen Strukturen«. Auch die Lohnstatistik spricht Bände: Zwischen 2009 und 2017 sanken die mittleren Löhne bei den Post-, Paket- und sonstigen Zustelldiensten um über 15 Prozent, während sie in der Gesamtwirtschaft in der gleichen Zeit um 20 Prozent anstiegen. Schein- und Soloselbstständige, aber auch aus dem Ausland entsandte Arbeitnehmer sind da noch gar nicht mit eingerechnet. Diese Zustände sind gewollt. Denn die großen Paketdienstleister lagern die Zustellung von Paketen gezielt an Subunternehmerketten aus, die sich teilweise über halb Europa erstrecken. So entledigen sich Paketkonzerne der Verpflichtung zur Einhaltung von Arbeits- und Sozialrecht, wohlwissend wie bei ihren Subunternehmern die Löhne gedrückt werden. Das Ausmaß ist erschreckend: Während DHL mit ver.di vereinbart hat, lediglich 2,5 Prozent ihrer Zustellbezirke an Subunternehmer zu vergeben, lassen beispielsweise DPD und GLS ihre Pakete zu 100 Prozent von Subunternehmen ausliefern.
Angesichts dessen braucht man sich nicht wundern, wenn in den letzten Jahren immer mehr Päckchen falsch zugestellt werden oder sogar verschwinden. Die offizielle Statistik besagt, dass sich die Anzahl der schriftlichen Beschwerden zu Postsendungen für Berlin seit 2014 mehr als versiebenfacht hat – die Mehrzahl davon betraf Paketsendungen. Alles in allem haben die Probleme in der Paketbranche ein solches Ausmaß erreicht, dass selbst die Bundesregierung jetzt ein »Paketboten-Schutz-Gesetz« auf den Weg gebracht hat. Damit werden Auftraggeber haftbar gemacht, wenn ihre Subunternehmen keine Sozialabgaben zahlen – ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Doch sieht das Gesetz Schlupflöcher vor, die die Kontrolle deutlich erschweren werden. So müsste zum Beispiel dafür gesorgt werden, dass die Arbeitszeiten am jeweiligen Arbeitstag verlässlich dokumentiert werden und jederzeit einzusehen sind, damit Lohnraub verhindert und bestehende Ansprüche vor Gericht durchgesetzt werden können. Für sich genommen wird das alles aber nur ein Tropfen auf dem heißen Stein bleiben. Es bedarf einer umfassenden Regulierung der Paketbranche. Scheinselbstständigkeit muss konsequent bekämpft und den Gewerkschaften ein Verbandsklagerecht zur Durchsetzung bestehender Rechte eingeräumt werden. Zur Regulierung der Paketbranche gehört aber auch, dafür zu sorgen, dass nicht länger jeder einfach so ein Paketzustellunternehmen anmelden und dann Pakete ausliefern kann. Immerhin geht es dabei um die Sicherstellung des Postgeheimnisses. Die Erlaubnis zur Auslieferung von Paketen muss dazu, wie es bei der Briefpost bereits der Fall ist, an das Vorliegen einer qualifizierten Lizenz gekoppelt werden. Über eine solche Lizenz könnte auch die Weitervergabe von Aufträgen an Subunternehmerketten begrenzt werden.
Und wenn die privaten Paketunternehmen da nicht mitmachen wollen, sollten wir auch nicht davor zurückschrecken darüber zu diskutieren, wie wir die Paket- und Briefpost wieder vollständig in öffentlicher Regie betreiben können. Die Zustellerinnen und Zusteller würde es uns danken – und der Qualität der Zustellung würde es sicher auch gut tun.

Pascal Meiser, MdB

klar.links Ausgabe #1 Januar/Februar 2020