Der Kampf der Kurdinnen - In unserer Partnerstadt Dêrik organisieren sich die Frauen

Der Internationale Frauentag ist auch in der Friedrichshain-Kreuzberger Partnerstadt Dêrik ein Tag, der den Frauen gehört. Die Frauenorganisationen und Frauenprojekte in der selbstverwalteten Region Nord- und Ostsyrien (auch Rojava genannt) zeigen, dass Frauenbefreiung auch in einer Region, die von patriarchalen Strukturen besonders geprägt ist, möglich ist. In Dêrik pflanzten die Frauen der Internationalistischen Kommune letztes Jahr anlässlich des 8. März sieben Olivenbäume, die sie aus Stecklingen des von der Türkei völkerrechtswidrig besetzten Kantons Afrin gezogen haben. »Diese ersten Bäume sollen als Symbol für den Widerstand und den Kampf der kurdischen Bevölkerung und der Frauen gegen Unterdrückung und Besatzung gelten, dafür, dass Frauen aus aller Welt zusammenkommen, um gemeinsam zu kämpfen«, erklärte Viyan von der Internationalistischen Kommune.
Heute sieht man in der ganzen Stadt die Früchte der Frauenbewegung. Ein wesentliches Element ist die Doppelspitze auf allen institutionellen Ebenen. Auch das Rathaus in Dêrik ist daher mit zwei gleichberechtigten Bürgermeister*innen ausgestattet. Bürgermeisterin Rojin Çeto und Bürgermeister Feremez Hammo besuchten im Juni vergangenen Jahres unseren Bezirk und beurkundeten im Rathaus die Städtepartnerschaft der beiden Kommunen.
Ein weiteres, sehr wichtiges Element sind die parallelen autonomen Frauenstrukturen in allen gesellschaftlichen Bereichen. Die zentrale Dachorganisation dafür ist »Kongreya Star«. Hier organisieren sich Frauen und Frauenorganisationen auf kommunaler, städtischer und kantonaler Ebene. Vertreterinnen von Kongreya Star sind auch in allen Institutionen der Selbstverwaltung und dem »Syrischen demokratischen Rat« vertreten und übernehmen so Verantwortung. Dêrik verfügt auch über eine Frauenakademie. Alle Frauen haben das Recht, unabhängig von ihren Familien, mehrere Wochen an diesen Akademien zu verbringen. In der Gemeinschaft und im Austausch mit anderen Frauen haben sie so den Freiraum, sich aus gewohnten Denkmustern zu befreien und ihre neuen Erkenntnisse in ihre Familien und in die Gesellschaft zu tragen.
Neben der Frauenakademie gibt es in Dêrik auch mehrere Bildungszentren. Dort werden Computer-, Sprach, Nähoder Erste-Hilfe-Kurse, Seminare zu Gesundheit – speziell auch zur Kindergesundheit – sowie Kunstund Kulturworkshops organisiert. In Stadtteilzentren können sich Frauen mit sozialen und familiären Problemen Unterstützung holen. Dêrik verfügt auch über ein Frauenhaus, »Mala-Jin« genannt, als Anlaufstelle für Frauen, die häusliche Gewalt erfahren. Die Vertreterinnen des Frauenhauses gehen in die betroffenen Familien und versuchen über Mediation gewaltfreie Lösungen zu finden oder Frauen zu unterstützen, die sich trennen wollen.
Damit sich Frauen ein eigenes Einkommen erwirtschaften können, werden sie in der Gründung von Frauen-Kooperativen von der Selbstverwaltung unterstützt. In Dêrik gibt es drei Landwirtschaftskooperativen, eine Joghurt- und Käsekooperative, eine Frauenbäckerei und eine Näherei, die von Frauen geführt werden. Frauen sind auch mit eigenen Selbstverteidigungseinheiten, den YPJ, militärisch organisiert. Zur Verteidigung der Kommunen und Stadtviertel oder zum Schutz von Demonstrationen und Veranstaltungen gibt es zusätzlich die kommunalen Frauenverteidigungskräfte HPJ.
 

Elke Dangeleit

klar.links Ausgabe #2 März/April 2020