Auf die Straßen, Plätze, los! - Marchlewskistraße

Steigt man am S-Bahnhof Warschauer Straße aus und geht in Richtung Frankfurter Tor, geht nach hundert Metern spitz links und schnurgerade eine Straße ab. Sie streift den Comeniusplatz und endet erst an der Alten Feuerwache an der KarlMarx-Allee, Höhe Weberwiese. Die erste international bedeutende Rede Rosa Luxemburgs hielt – Julian Marchlewski. Mit dem langjährigen Jugendfreund reiste sie 1893 zum III. Internationalen Sozialistischen Arbeiterkongress in Zürich. Sie kam als Abgeordnete der Sozialdemokratischen Partei Polens und Litauens, die sie mit Marchlewski, Leo Jogiches und Adolf Warszawski gegründet hatte. Da sie, 22-jährig, ohne offizielles Mandat war, trug Marchlewski ihr Redemanuskript vor. Seine Mutter entstammt verarmtem deutschen Adel, er arbeitet nach dem Gymnasium als Färber. Seit 1888 gehörte Marchlewski – bekannt auch unter dem Spitznamen Karski – der sozialistischen Arbeiterbewegung an. Flieht aufgrund von Repression in die Schweiz, studiert dort Jura und Staatswissenschaften, übersiedelt nach Deutschland und beteiligt sich hier an der Herausgabe verschiedener Zeitungen. 1916 gehört er zu den Mitbegründern des Spartakusbundes. Es folgt eine zweijährige Inhaftierung wegen politischer Aktivitäten. Ein Denkmal in Havelberg erinnert noch an ihn als einen der tausenden Gefangenen des dortigen Kriegsinternierungslagers. Anschließend ausgewiesen, geht er in die Sowjetunion, kehrt ein Jahr später illegal nach Deutschland zurück. Tätig ist er fortan in der KPD. In seinen letzten Lebensjahren wird er Mitbegründer und Vorsitzender der Internationalen Roten Hilfe. Karski stirbt 1925. Seit dem 15. März 1950 trägt die Straße Marchlewskis Namen.

Holger Klemm

klar.links Ausgabe #5 September/Oktober 2020