Antimuslimischer Rassismus – unterschätzte Gefahr

Rene Paulokat & Yasin Bölme

Unverhältnismäßige Polizei-Razzien sind Teil des Problems

In diesem Februar jährte sich der rechtsextreme Terrorakt von Hanau, bei dem der Täter zehn Personen in und vor Shisha-Bars ermordete. Diese Morde sind Ergebnis der andauernden Hetze gegen Muslime und Geflüchtete, oder jene, die dafür gehalten werden. Zuerst wird die Grenze des Sagbaren verschoben – danach folgt der Terror. Anteil daran hat die islamfeindliche AfD, die in ihrem Programm von einer »Islamisierung Deutschlands« fantasiert. Nicht zufällig werden die Stichworte »Islamisierung« und »Bevölkerungsaustausch« als Legitimation der terroristischen Rechten für ihre Taten genutzt – in Hanau wie auch bei dem Anschlag in Halle.

Wegen dieser Hetze haben Muslime aufgrund ihres Glaubens weniger Chancen auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt. Zudem sind islamische und christliche Religionsgemeinschaften noch immer nicht gleichgestellt. Sie werden in der Regel nicht als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt. Seit Erfassung islamfeindicher Straftaten im Jahr 2017 werden jedes Jahr rund 900 Delikte mit einem islamfeindlichen Hintergrund registriert, täglich also etwa drei Vergehen gegen Muslime. Doch die wirklichen Zahlen dürften weitaus höher liegen. Menschen, die von rassistischer Diskriminierung betroffen sind, wenden sich selten an die Polizei, weil sie nicht selten schon diskriminierende Erfahrungen mit den Behörden gemacht und wenig Hoffnung haben, dass die Meldung verfolgt wird. Eine Straftat wird nur dann als islamfeindlich erfasst, wenn die aufnehmende Polizeistelle sie als solche einstuft.

Diese Zurückhaltung der Betroffenen gegenüber der Polizei ist begründet, denn Rassismus ist ein strukturelles Problem. Dazu gehören Razzien in Shisha-Bars, die zu einem Generalverdacht beitragen, wie auch die aufgeladene »Clan«-Debatte und rassistische Polizeichats, die selbst bei Bekanntwerden für die beteiligten Polizisten meist keine Folgen haben. Weitverbreitete antimuslimische Ressentiments sind der Boden, auf dem unverhältnismäßige Durchsuchungen islamischer Einrichtungen wie der Kreuzberger Mevlana-Moschee stattfanden. Unter dem Vorwand eines vermuteten Subventionsbetrugs in Zusammenhang mit Coronahilfen drang im Herbst ein bewaffnetes Polizeiaufgebot in die Religionshäuser ein, um dort »Beweise« sicherzustellen. Ein milderes Mittel wurde nicht in Erwägung gezogen. Der Vorstand der Mevlana Moschee erklärte, offene Fragen bezüglich des Antrags hätten durch einfache Nachfrage schnell geklärt werden können. Dass dies seitens der Polizeibehörden nicht geschah, ist ein Hinweis auf den strukturellen Rassismus dieser Behörde. Martin Germer, Pfarrer der Gedächtniskirche, ist sich »sicher, dass mit einer solchen nur auf Mutmaßungen und Unkenntnis beruhenden Begründung kein deutsches Gericht eine derartige Durchsuchung bei einer christlichen [...] oder gar einer jüdischen Gemeinde freigegeben hätte«. Bundesweit gibt es mehr als 10.000 Verdachtsfälle zu Subventionsbetrug in Zusammenhang mit Coronahilfen. In Berlin werden über 2.000 solcher Fälle untersucht. Aber nur bei Moscheen fand eine solche vorverurteilende Durchsuchung statt, die die gesamte muslimische Bevölkerung unter Verdacht stellt. Der Vorwurf des Betrugs bei der Beantragung von Coronahilfen ist bis heute nicht bestätigt.

Das im letzten Jahr auch auf Initiative der LINKEN verabschiedete Berliner Antidiskriminierungsgesetz (LADG) ist ein guter Anfang. Betroffene haben die Möglichkeit, gegen Diskriminierung durch öffentliche Stellen des Landes Berlin vorzugehen. Unabdingbar aber bleibt eine solidarische Haltung, die sich an der Seite der Betroffenen aktiv und wahrnehmbar gegen jede rassistische Diskriminierung von Muslimen ebenso wie Juden, Roma und Sinti und anderer Minderheiten wendet. Ohne Wenn und Aber.

Rene Paulokat & Yasin Bölme
klar.links Ausgabe #2 März/April 2021