Wahlrecht für Alle!
Am 24. Juni war Sammelschluss für das »Volksbegehren Deutsche Wohnen & Co enteignen«, das wir als LINKE mit über 32.000 gesammelten Unterschriften tatkräftig unterstützt haben. Noch sind nicht alle Unterschriften ausgezählt, aber schon jetzt steht fest, dass sehr viele der ungültigen Stimmen an dem fehlenden Wahlrecht von Unterzeichnenden ohne deutschen Pass scheiterten. Zur Halbzeit der viermonatigen Sammelphase machte der Landeswahlleiter öffentlich, dass von den bis dahin ausgezählten Unterschriften ungefähr ein Viertel ungültig waren und davon über die Hälfte mangels Wahlrecht wegen fehlender deutscher Staatsangehörigkeit.
Dieses Defizit an politischer Mitbestimmung und Partizipation ist nicht hinnehmbar. Verdrängungsprozesse hier in Berlin, wie auch anderswo, treffen sehr viele Mieter:innen mit Migrationsgeschichte. Sich nicht nur in Initiativen, sondern auch im Rahmen von direktdemokratischen Verfahren und Wahlen dagegen zu wehren und sich für ihre Interessen als Mieter:innen einsetzen zu können, bleibt vielen von ihnen aber verwehrt. In ganz Deutschland leben 9,7 Millionen volljährige Personen, die mangels deutscher Staatsangehörigkeit von Wahlen und Abstimmungen ausgeschlossen bleiben, obwohl sie von ihren Konsequenzen, den politischen Entscheidungen und der Gesetzgebung genauso betroffen sind, wie jede:r andere Bürger:in auch. Zwar hat die Bundesregierung nach jahrzehntelanger Weigerung offiziell endlich akzeptiert, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, aber gesetzliche Anpassungsschritte sind dieser Erkenntnis kaum gefolgt. Im Gegenteil rassistische Strukturen und Ausgrenzung durch Staat und Gesetzgebung bestehen weiterhin. Artikel 28 und 38 des Grundgesetzes, die Landesverfassungen sowie Bundes- und Landeswahlgesetze schließen weiterhin Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft vom allgemeinen Wahlrecht aus. Allein EU-Bürger:innen wurde in Anpassung an das Unionsrecht das kommunale Wahlrecht eingeräumt.
Um endlich Gleichberechtigung und Teilhabe zu erreichen und das massive Demokratiedefizit zu beenden, setzt sich DIE LINKE seit vielen Jahren dafür ein, dass alle Menschen, die seit mindestens fünf Jahren in Deutschland leben, endlich wählen dürfen und hat entsprechende Gesetzesvorschläge im Bundestag eingebracht (Bundestagsdrucksachen 19/16, 18/3169). Die Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus hat Anfang Juni beschlossen, dass die Berliner Landesregierung in Umsetzung des Koalitionsvertrages von rot-rot-grün noch vor den Abgeordnetenhausund Bundestagswahlen eine Gesetzesinitiative für ein kommunales Wahlrecht und ein Landeswahlrecht für Alle in den Bundesrat einbringen soll und Gespräche mit SPD und Grüne dazu aufgenommen, um die Debatte um das Wahlrecht stärker in die Öffentlichkeit zu bringen. Dafür sorgt auch die Kampagne »Wir wählen«, die von verschiedenen zivilgesellschaftlichen Organisationen getragen wird und symbolische Wahlen für Nichtwahlberechtigte organisiert.
Gerade jetzt im Vorfeld der Bundestagswahlen und der Berliner Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen muss die Teilhabe aller Menschen, die hier leben, stark gemacht werden. Es kann nicht sein, dass so viele Menschen immer noch von dem politischen Grundrecht überhaupt ausgeschlossen sind.
Elif Eralp
klar.links Ausgabe #4 Juli/August 2021