Staatliche Hilfen ungleich verteilt - Beschäftigte sollen Gürtel enger schnallen, Unternehmen nicht

Susanne Ferschl

Die Bundesregierung rechnet damit, dass mehr als zwei Millionen Beschäftigte in der aktuellen Krise von Kurzarbeit betroffen sein werden. Kurzarbeit schützt Beschäftigung in Krisenzeiten und kann Entlassungen verhindern. Deswegen ist es richtig, die Kurzarbeit jetzt auszuweiten. Auch richtig ist, dass der Staat kleinen und mittelständischen Unternehmen Überbrückungskredite zur Verfügung stellt und Staatsgarantien vergibt. So bleiben Firmen liquide und können die Löhne und Gehälter der Kolleginnen und Kollegen weiter bezahlen.
Doch das Kurzarbeitergeld reicht hinten und vorn nicht. Beschäftigte werden zwar vorerst nicht arbeitslos, müssen aber mit Lohneinbußen von bis zu 40 Prozent klarkommen. Gerade für diejenigen mit einem niedrigen Einkommen ist das existenzbedrohend, denn die laufenden Kosten bleiben gleich und müssen weiterbezahlt werden. In Deutschland arbeiten fast 20 Prozent der Beschäftigten für einen Niedriglohn – das ist fast jede/r Fünfte.

Tarifverträge schützen
Und viele von ihnen arbeiten genau in den Berufen, die seit neustem als systemrelevant gelten, zum Beispiel im Einzelhandel oder in der Pflege. Hier braucht es aber neben einem sofortigen Corona-Zuschlag grundsätzlich höhere Löhne. Die warmen Worte und den Dank der Kanzlerin und anderen Regierungsmitglieder haben wir alle gehört. DIE LINKE wird im Bundestag dafür sorgen, dass sie sie nicht wieder vergessen. Es ist im öffentlichen Interesse, die Tarifverträge in systemrelevanten Branchen zum schnellstmöglichen Zeitpunkt allgemeinverbindlich zu erklären. Aber während die Beschäftigten gerade mal wieder den berüchtigten Gürtel enger schnallen müssen, werden Unternehmen trotz milliardenschwerer Kredite und Staatsgarantien erneut aus der Verantwortung gelassen und sogar noch entlastet. Je größer ein Unternehmen, desto großzügiger die Entlastung. Großkonzerne können mit unbegrenzten Krediten rechnen und kriegen obendrein die Sozialbeiträge für die verordnete Kurzarbeit erstattet. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit fließen bei 2,15 Millionen Kurzarbeitern dadurch etwa 680 Millionen Euro aus der Arbeitslosenversicherung direkt in die Kassen der Arbeitgeber. Das schwächt die Versicherung, die gerade jetzt gestärkt werden sollte, um nach der Krise die Konjunktur zu stabilisieren. Hinzu kommt, dass diejenigen Unternehmen, die Kurzarbeit beanspruchen, zwar die Sozialbeiträge erstattet bekommen, diese aber nicht an ihre Beschäftigten weiterreichen müssen.

Kündigungsverbot für Unternehmen
Man muss es so deutlich sagen: Nicht mal in Zeiten des Notstands ist die Bundesregierung dazu in der Lage, Arbeitnehmern und Arbeitgebern das gleiche Maß an Solidarität zukommen zu lassen. Deshalb braucht es neben einer Aufstockung des Kurzarbeitergeldes auf 90 Prozent auch ein Gesetz, das Arbeitgebern, die davon Gebrauch machen, betriebsbedingte Kündigungen für mindestens ein Jahr nach der Krise verbietet. Die Bundesregierung denkt nicht mal im Traum daran. Stattdessen lockert sie die Zuverdienstgrenzen für Kurzarbeiter. Sie sollen sich »freiwillig« etwas dazuverdienen dürfen, wenn das Kurzarbeitergeld nicht reicht. Angesichts der Lohneinbußen von bis zu 40 Prozent dürfte der ökonomische Zwang zum Zuverdienst überwiegen. Hier noch von Freiwilligkeit zu sprechen, ist zynisch.
Dabei zeigen so viele Menschen gerade täglich, wie sehr sie zu solidarischem Handeln fähig sind. Ausdruck findet das in zahlreichen Nachbarschaftsinitiativen überall im Land. Und genau diese Solidarität erwarte ich auch von der Bundesregierung: Wirksame ökonomische Sicherheit für alle Menschen statt vorrangige Profit-Sicherung für Großkonzerne und Millionäre.

Susanne Ferschl, MdB

klar.links Ausgabe #3 Mai/Juni 2020