Frauenstreik im Homeoffice? - 8. März: Frauen tragen die Corona-Hauptlast

Judith Daniel

Wir befinden uns im zweiten Jahr der Pandemie. Seit März letzten Jahres steht auf der ganzen Welt das Leben von Milliarden Menschen Kopf. Selbstständige und Unternehmen bangen um Aufträge, Beschäftigte sind in Kurzarbeit, Arbeiter*innen in systemrelevanten Branchen tragen die Last der Pandemie auf ihren Schultern. Auch als Konsumenten wurde unser Leben in den letzten Monaten extrem eingeschränkt. Und doch ist das »Zuhause«, das sogenannte Privatleben, das, was vor Corona nach Feierabend und getrennt vom »Office« stattfand, der wohl am stärksten veränderte Lebensbereich. Die Schulen und Kindergärten, Kitas und Nachmittagsbetreuungen mussten ihre Tore schließen. Seither werden Kinder digital unterrichtet und zuhause betreut. Von Eltern, die teilweise wiederum digital arbeiten oder aus der U-Bahn für den Arbeitsweg die Sorge einer Ansteckung mitbringen oder aber ihre Arbeit niederlegen mussten. Vor allem Frauen haben in den letzten Monaten beruflich zurückgesteckt oder sich zwischen Arbeit und Kinderbetreuung aufgerieben, um ihre Familien durch die Krise zu bringen. Und ausgerechnet in dieser anstrengenden, zermürbenden Zeit, ist es nicht möglich, Freunde zu treffen. Wir sind gezwungen, in Kernfamilien und Haushalten zu denken und spüren dabei schmerzlich, wie abhängig wir voneinander, von Zuwendung, Zusammenhalt und gemeinsam gelebtem Leben sind. Das Private ist politisch – Feministinnen sagen das seit langem. Und in diesen Tagen verstehen wir, was das heißt.

Feministinnen berufen sich auf den 8. März nicht nur als internationalen Frauentag, sondern auch als Tag des feministischen Streiks. Viel wurde über die Verzahnung von Produktions- und Reproduktionsarbeit, von Lohn- und Sorgearbeit gesprochen. Oft klang das ein wenig abstrakt. Uns wurde vorgeworfen, wir hätten doch schon die volle Gleichberechtigung. Aber das war nicht genug und jetzt sehen hoffentlich alle: So kann es nicht weiter gehen. Seit Monaten zerreißen wir uns zwischen Beruf und Privatleben. Zwischen Zoom und Kindern. Zwischen Home und Office. Wir sind müde. Wir haben Stunden reduziert und auf Gehalt verzichtet. Die Kinder vertröstet und uns gesagt, dass sie den Schulstoff schon nachholen werden, wenn es dann irgendwann wieder »normal« wird. Aber es reicht nicht; es ist nicht zu schaffen. Wir können nicht weniger trösten, weniger Windeln wechseln. Nicht weniger Brote schmieren und beim Anziehen helfen. Wir können nicht weniger Arzttermine koordinieren oder weniger Kleidung waschen. Wir können auch selbst nicht noch weniger essen und schlafen.

Die große Demonstration am 8. März letzten Jahres war die letzte vor dem Ausnahmezustand. Dieses Jahr wird der Frauenkampftag stiller sein. Vereinzelter. Aber niemand soll denken, dass wir Frauen nicht weniger wütend sind. Nie war ein feministischer Streik notwendiger und greifbarer als jetzt.

Judith Daniel
klar.links Ausgabe #2 März/April 2021

Photo by Claudio Schwarz | @purzlbaum on Unsplash