Warum Populismus keine Lösung ist: Nachhaltige Lösungen für den »Görli«!

Oliver Nöll

Diesen Beitrag zu beginnen ist dem Autor nicht leichtgefallen. Der Anlass für eine wochenlange Berichterstattung über den »Görli« war diesmal eine Gruppenvergewaltigung. Es versteht sich von selbst, dass eine solch widerliche Tat mit der vollen Härte des Gesetzes zu betrafen ist und der Staat selbstverständlich in der Verantwortung steht, solche Taten zu verhindern und wo er es nicht kann eben zu ahnden. Allerdings bleibt auch festzuhalten, dass sich die Berichterstattung bald von der eigentlichen Tat entfernt hat und vielmehr die Sicherheitslage im Park generell in den Fokus der Medien geraten ist.

Neben der Behauptung, dass der Bezirk seit Jahren nichts unternommen hätte und unternimmt, waren die regiereden Parteien CDU und SPD auch schnell mit populistischen Lösungen zur Hand: nächtliche Schließung, Einzäunung und flächendeckende Kameraüberwachung wurden medial als Allheilmittel dargestellt, ohne überhaupt auf die tieferen Ursachen oder Aspekte, wie Verdrängungseffekte, die dann die angrenzenden Kieze treffen, einzugehen. Es mag dem Sommerloch und der damit verbundenen breiteren Aufmerksamkeit der Presse geschuldet sein, dass sich führende Vertreter*innen der Regierungsparteien und des Senats in ihren Forderungen überboten haben. Hilfreich und lösungsorietiert ist es nicht. Zunächst einmal ist festzuhalten, dass es schlicht eine Falschbehauptung ist, der Bezirk habe nichts unternommen. Interessierte können sich auf den Internetseiten des Bezirksamtes umfassend über bereits realisierte Maßnahmen, Planungen, aber auch Forderungen an die Landesebene informieren. Ebenso unwahr ist, dass das Bezirksamt nicht das Gespräch gesucht hat: Bereits unmittelbar nach Bekanntwerden der Vergewaltigung wurde durch die Bezirksbürgermeisterin um ein Gespräch bei der zuständigen Innensenatorin Spranger nachgesucht. Eine Antwort haben wir bis heute nicht erhalten. Im Übrigen haben wir schon zu Beginn des Jahres im Rat der Bürgermeister eine Vorlage eingebracht, dass wir eine stadtweite Strategie im Umgang mit Problemen wie denen im »Görli« (aber auch am Leopoldplatz in Mitte) fordern. Auch hier hat die neue Landesregierung keinerlei konkreten Schritte unternommen. Nun allerdings soll ein »Sicherheitsgipfel« kurzfristig alle Probleme lösen. Eine wirklich nachhaltige Lösung kann es nur geben, wenn das Land – im Übrigen zuständig für Polizei und Sicherheit – die Ebene der Vorwürfe und vermeintlich schnellen Lösungen verlässt und mit dem Bezirk an einer langfristigen Lösung – eingebettet in die erwähnte stadtweite Strategie – arbeitet.

Diese muss zwingend die Abkehr von fragwürdigen Polizeitaktiken beinhalten, auf permanente Bestreifung durch ortskundige Kontaktbeamte setzen und diese Maßnahmen mit den bezirklichen Ämtern, den Träger der sozialen Angebote und der Suchthilfe verzahnen. Darüber hinaus brauchen wir dringend eine ganzjährige Notübernachtung für Menschen mit Suchtproblematiken, mehr Staßensozialarbeit, eine Ausweitung der Beratungs- und Konsumangebote und eine enge Einbindung der zivilgesellschaftlichen Initiativen in den umliegenden Wohngebieten. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass nicht alle Ursachen ausschließlich auf kommunaler Ebene oder durch die Landespolitik gelöst werden können. Der Bund ist zwingend gefordert, sowohl seine Drogenpolitik zu überdenken, als auch Lösungen für Menschen ohne Aufenthaltsrecht zu finden. Ohne legalen Status wird eine Zwangssituation geschaffen, sich durch den Verkauf illegaler Substanzen Lebensunterhalt und Wohnraum zu besorgen. Wer glaubt, durch Zäune, Hundertschaften und Kameras die komplexe Problemstellung in urbanen Räumen wie den Görlitzer Park zu lösen hat nichts verstanden und wird weiterhin schweitern. Der Nachweis hierfür liegt nicht allzu lange zurück. Wer erinnert sich noch an den Innensenator Henkel und seine »Zero Tolerance«_Strategie? Welche nachhaltige Wirkung hat diese gebracht?

klar.links Ausgabe #5 Oktober/November/Dezember 2023