Schlingerkurs in der Energie- preiskrise beenden!

Martina Michels

Spanien und Portugal führten Übergewinnsteuern und Mietendeckel ein, Frankreich eine Energiepreisbremse für seine staatlichen Energieunternehmen, sodass niemand mehr als vier Prozent Preissteigerung zahlt. Deutschland schnürte Entlastungspakete. Doch die Hälfte der Kosten sollen Länder und Kommunen tragen. Die Bundesregierung hielt wochenlang an einer preistreibenden Gaspreisumlage fest. Nun hat sie diesen Irrsinn durch eine Gießkanne ersetzt, die den Besitzer des beheizten Pools, den er diesen Winter einfach ausschalten kann, bevorteilt. Nachhaltigkeit? Fehlanzeige. Während Frankreich kein Kühlwasser mehr für Atomkraftwerke hat, führen Habeck und Scholz ein Schauspiel der Richtlinienkompetenz auf und lassen nun alle drei Meiler – mit dem Segen des grünen Bundesparteitag – weiterlaufen. Man möchte nur noch schreien: Atomkraft? Nein, danke! Letztlich führt kein Weg daran vorbei, dass eine LINKE jede politische Krisenbewältigung endlich europäisch denken muss.

Und das macht sie auch: Am 30. September saßen die Energieminister der EU-Mitgliedstaaten zusammen. Zeitgleich tagten linke Politiker*innen aus den Landtagen, der Bundestagsfraktion und Europa ebenfalls in Brüssel in der Fraktionsvorsitzendenkonferenz. Die Hoffnungen auf einen Europäischen Gaspreisdeckel zerschlugen sich schon im Laufe des Tages. Für die LINKEN-Politiker der Fraktionsvorsitzendenkonferenz war schnell klar, dass die befristete EU-weite Umsatzobergrenze von 180 Euro für die Megawattstunde Gas und ein zeitweiliger »Solidaritätsbeitrag« keine nachhaltigen Instrumente zu einer wirksamen Entlastung der Menschen in der EU sind. Diese Vorschläge schöpfen jedoch keine Krisengewinne multinationaler Unternehmen ab, was für eine Gegenfinanzierung der Energiepreise dringend notwendig wäre. Und sie reichen auch nicht aus, damit regionale, kommunale und dezentrale Energieversorger ihrer Verantwortung für eine stabile Energieversorgung zu fairen Preisen nachkommen können.

Der völkerrechtswidrige Krieg Russlands gegen die Ukraine und unsere bisherige Abhängigkeit vom russischen Gas haben die Energiepreis-Spirale verschärft. Doch Energiearmut und steigende Preise gab es schon lange vor dem 24. Februar 2022. Schuld ist der privatisierte Strommarkt, der sich stets am teuersten Produzenten orientiert. Es ist ein politisches Totalversagen, wenn die EU derartig lange braucht, um auf eine riesige soziale Krise zu reagieren. Die Fraktionsvorsitzendenkonferenz hält deshalb fest, dass angesichts der weltweiten Energiekrise und des voranschreitenden Klimawandels es jetzt einen auskömmlichen Europäischen Klimaenergiefonds braucht. Dieser soll eine angemessene und nachhaltige Krisenbewältigung und eine Dekarbonisierung der Wirtschaft auf Basis eines massiven Ausbaus der erneuerbaren Energie zu finanzieren. Mit Blick auf die Europawahl 2024 setzen wir auch auf eine längst überfällige Abschaffung der Schuldenbremse zugunsten sozial-ökologischer Investitionen und langfristig auf eine demokratische Kontrolle von Energieproduzenten durch Vergesellschaftung.
In dieser Woche gehen wir auch in Straßburg mit französischen Gewerkschaften auf die Straße. Wir beteiligen uns am Herbst der Solidarität und organisieren selbst Proteste, schnüren Entlastungspakete dort, wo wir in Regierungen Mitverantwortung tragen. Politische Fehlschläge in Europa und vor Ort können wir uns nicht länger leisten.

Martina Michels, Mitglied des Europäischen Parlaments für DIE LINKE
klar.links Ausgabe #6 November/Dezember 2022