Halle 9 für Alle - nterview mit der Kreuzberger Initiative »Kiezmarkthalle«
Hallo, stellt euch doch bitte zu Beginn einmal vor
Die Initiative »Kiezmarkthalle« hat sich Anfang letzten Jahres gegründet, nachdem bekannt geworden war, dass dem »Aldi«-Supermarkt in der Markthalle 9 in Kreuzberg durch die Betreiber gekündigt worden war. Seitdem treffen wir uns regelmäßig. Wir wohnen alle in der Nachbarschaft. Viele von uns sind schon älter, wir alle leben schon Jahre oder auch Jahrzehnte in Kreuzberg. Wir leben gerne hier. Aber die Veränderung der letzten Jahre, geprägt v.a. durch steigende Mieten und die Verdrängung von Menschen mit geringem Einkommen, erfüllt uns mit Sorge und Wut.
Was ist eure Kritik an der aktuellen Situation rund um die Markthalle 9 in Kreuzberg?
2011 wurde die Markthalle 9, die sich bis dahin im städtischen Besitz befand, privatisiert und deutlich unter dem Marktwert an drei Betreiber verkauft. Die Betreiber hatten sich verpflichtet, eine »Halle für Alle« und einen kleinteiligen Markt mit Ausrichtung auf die Nachbarschaft in der Markthalle 9 zu verwirklichen. Von diesem Versprechen ist nichts geblieben. Die Betreiber der Halle setzen im Wesentlichen auf »exklusive« Lebensmittel, auf Events für Tourist*innen wie den »Street Food Markt«, auf teure Gastronomie und auf geschlossene Veranstaltungen. Mit ihrer Ausrichtung auf eine wohlhabende Kundschaft und FoodEvents trägt die Markthalle dazu bei, dass die heute schon hohen Mieten in der Umgebung weiter explodieren. Für viele Anwohner*innen hat die Kündigung des Aldi-Supermarktes in der Halle, des letzten Angebots einer für alle bezahlbaren Grundversorgung mit Lebensmitteln in der Markthalle 9, das Fass zum Überlaufen gebracht. Die Kündigung von Aldi macht endgültig klar, dass ein großer Teil der Anwohner*innen, etwa Menschen mit wenig Geld, ältere Menschen und Migrant*innen, in der Markthalle 9 endgültig nicht mehr erwünscht sind.
Welche Forderungen stellt ihr auf, bzw. was sind eure Ziele?
Innerhalb weniger Monate haben wir über 5.000 Unterschriften für unsere Forderungen gesammelt. Das sind:
- Der Aldi oder ein Lebensmittelanbieter mit ähnlichem Sortiment und Preisniveau soll in der Markthalle 9 bleiben, um die tägliche Grundversorgung der Anwohner*innen mit für alle bezahlbaren Lebensmitteln zu sichern
- Die Markthalle 9 soll zu einem echten Markt mit einem täglichen, kleinteiligen Marktangebot entwickelt werden.
- Exklusive und kostenpflichtige Events sollen nicht in der Markthalle 9 stattfinden.
- Die vielfältige Belastung der Anwohner*innen durch kommerzielle Events wie den »Street Food Thursday« ist umgehend zu reduzieren.
- Sollten diese Forderungen durch die aktuellen Markthallen-Betreiber nicht umgesetzt werden, fordern wir einen zukünftigen Betrieb der Markthalle 9 durch einen gemeinwohl-orientierten Träger oder in öffentlicher Trägerschaft.
Es geht uns aber nicht nur um die Markthalle 9, sondern darum, dass es auch für Menschen mit geringem Einkommen möglich sein muss, ein gutes Leben in Kreuzberg zu haben. So haben wir im Dezember eine Demonstration rund um die Markthalle unter dem Motto »Stop Gentrification – gegen hohe Mieten – Markthalle für alle!« durchgeführt.
Zu guter Letzt: Wie kann man euch unterstützen?
2019 haben wir bereits vielfältige Aktionen durchgeführt: Kundgebungen und Demonstrationen, Gespräche mit Presse und Politik, Veranstaltungen, Flashmobs und mehr. Unsere Proteste für eine »Markthalle für Alle« und für eine soziale Stadt werden auch 2020 weitergehen.
Wir freuen uns, wenn neue interessierte Menschen zu unseren Treffen kommen (jeden Sonntag um 16 Uhr im Stadtteilladen Lausitzer Straße 8). Weitere Termine und Informationen finden sich auf unserem Blog (kiezmarkthalle.systemli.org) und bei Facebook (kiezmarkthalle und aldibleibt).
Im Moment sind es in Kreuzberg vor allem die Vertreter*innen der Partei Die Grünen, die das Vorhaben der Betreiber, die Markthalle 9 endgültig in eine Luxus-Food-Halle für besserverdienende Menschen zu verwandeln, unterstützen. Auch hier finden wir natürlich gut, wenn Vertreter*innen dieser Partei mit unserem Protest konfrontiert werden.
Interview: Chris Tsialampanas
klar.links Ausgabe #2 März/April 2020