Volksentscheid »DW & Co enteignen« erfolgreich - Was das heißt und wie es weiter geht

Kerstin Wolter
Friedrichshain-Kreuzberg

Am Abend des 26. September konnten es viele zunächst gar nicht glauben: Der Volksentscheid »Deutsche Wohnen & Co.« enteignen wurde mit 59,1 Prozent gewonnen, über eine Millionen Berliner*innen haben für die Vergesellschaftung der großen Immobilienkonzerne gestimmt. Damit gingen Monate der Planung, der Diskussionen, des Unterschriftensammelns für die Kampagne erfolgreich zu Ende. Das war die erste Volksabstimmung über Enteignung seit 1948. Es ist ein Paukenschlag und eine Ansage an die Berliner Immobilienriesen Deutsche Wohnen, Vonovia und Co. Die Ansage lautet: Die Mehrheit der Menschen in Berlin will, dass Wohnen dem Gemeinwohl dient und nicht dem Profit. Was radikal klingt, ist sogar im Grundgesetz unter Artikel 15 verankert. Dort heißt es, dass »Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel« zum Wohle der Allgemeinheit vergesellschaftet – also enteignet – werden dürfen.

Enteignung ist Notwehr
Während immer mehr Menschen einen immer größeren Anteil ihres Einkommens für die Miete aufwenden müssen, machen börsennotierte Wohnungskonzerne auf Kosten der Mieter*innen Milliardengewinne. So hat beispielsweise Vonovia, als größter Wohnungskonzern Deutschlands, im letzten Jahr eine Dividende von knapp einer Milliarde Euro an seine Aktionäre gezahlt. Die radikale Forderung nach Enteignung ist angesichts dieser Entwicklungen quasi Notwehr. Damit die Mieten in Berlin nicht weiter explodieren, hat die Kampagne »Deutsche Wohnen & Co. enteignen« sich auf den Weg gemacht, diesem Treiben ein Ende zu setzen und Wohnungskonzerne mit einem Bestand über 3.000 Wohnungen dem Markt zu entziehen und unter die Kontrolle einer Anstalt des öffentlichen Rechts zu stellen. So würden nicht länger private Eigentümer, sondern Mieter*innen, Beschäftigte und der Senat über einen großen Teil des Wohnungsbestandes in Berlin entscheiden. Das heißt, auch über die Höhe der Miete.

Nach dem Sieg ist vor der Umsetzung
Nach dem erfolgreichen Volksentscheid liegt es nun am kommenden Senat, einen Vorschlag für ein Gesetz zur Vergesellschaftung vorzulegen. Leider ist die Umsetzung dieses Volksentscheids für die Politik nicht bindend. Aber der Druck ist hoch, dass sich die Politik einer Forderung der Mehrheit der Berliner Bevölkerung nicht einfach entziehen kann. DIE LINKE wird sich mit aller Kraft dafür einsetzen, dass der Volksentscheid umgesetzt wird. Ein Vorschlag zur Umsetzung ist die Bildung einer Expert*innenkommission, die den Auftrag hat, einen Gesetzesentwurf zu erarbeiten. Damit das auch passiert und nicht auf die lange Bank geschoben wird, ist es wichtig, den Druck aus der Bevölkerung und den Mieter*inneninitiativen hoch zu halten. Wie heißt es so schön: von Nix, kommt Nix. Und »Nix« ist angesichts des Mietenwahnsinns eindeutig zu wenig.

Kerstin Wolter, Co-Bezirksvorsitzende der LINKEN Friedrichshain-Kreuzberg

klar.links Ausgabe #4 November/Dezember 2021