Brandbeschleuniger für Verdrängung - Karstadt-Neubau am Hermannplatz bedroht Kiez und Kleingewerbe

Lukas Klatte

Schlimmer geht nimmer? Für Kreuzkölln, also die Kieze rund um den Hermannplatz, ist das leider nicht gesichert. Hier, wo die Mieten in den vergangenen Jahren so stark angestiegen sind, wie an kaum einem anderen Ort in Deutschland, plant der Immobilienmogul René Benko den Abriss und monumentalen Wiederaufbau des Karstadt-Gebäudes nach historischem Vorbild. Mehrere hundert Millionen Euro soll das Projekt verschlingen. Ein gigantisches Aufwertungsprojekt, welches für die Verdrängung im Umfeld wie ein Brandbeschleuniger wirken würde.

Ein Blick auf die Karte zeigt überdeutlich, wie fragil die Lage ist. Der Hermannplatz liegt im Zentrum einer Vielzahl bedrohter Kieze, für die der Bezirk den sogenannten Milieuschutz beschlossen hat. So werden Gebiete bezeichnet, in denen die Bewohnerschaft besonders stark von steigenden Mieten bedroht ist und geschützt werden soll – was freilich nicht zu stabilen Mieten geführt hat. „Das Milieu“ steht am Rande der Existenz. Neben den Bewohnerinnen und Bewohnern ist dies vor allem das kleine Gewerbe. Die vielen, oft noch inhabergeführten Geschäfte schließen schon jetzt reihenweise. So verlieren die Menschen die Möglichkeit sich angemessen zu versorgen und die Kieze ihre Lebensqualität.

In dieser äußerst prekären Situation tritt Benko mit seiner Signa-Firmengruppe auf den Plan. Kein unbekannter Player auf dem Berliner Immobilienmarkt. Die „Signa Prime Selection AG“ rühmt sich gleich mit mehreren „Trophy Assets“ in Berlin. Dazu gehört neben dem Karstadt am Hermannplatz unter anderem auch die Galeria Kaufhof am Alexanderplatz, der sogenannte Upper West Komplex in Charlottenburg sowie Berlins bekanntester Konsumtempel, das KaDeWe.

In die Klasse letztgenannter soll auch der Karstadt am Hermannplatz aufsteigen. Erste Entwürfe zeigen einen monumentalen Bau mit protziger Fassade. Zwei Türme übertrumpfen die umliegende Bebauung um ein Vielfaches. Auf der Dachterrasse tanzen vornehm gekleidete Menschen Tango[1]. Eine Assoziation mit dem heutigen Hermannplatz, seinen Nutzerinnen und Nutzern, mag nicht so recht gelingen. Leichter ist es da, sich die jahrelange Großbaustelle und das Investitionsvolumen von mehreren hundert Millionen Euro vorzustellen, welches für Abriss und Neubau veranschlagt ist.

Was die Nutzung angeht, gibt man sich zurückhaltend bis offen. Vorstellen könne man sich vieles. Der Karstadt soll weiterhin Unterschlupf erhalten – so sagt man. Büros, Wohnungen, ein Hotel, eine Markthalle, lokale Institutionen und sogar soziale Einrichtungen könne man sich vorstellen. Das sollen letztlich auch die Bewohnerinnen und Bewohner entscheiden – so verkünden es die hochprofessionell auftretenden und gut vorbereiteten PR-Strategen der Signa bei einer ersten Vorstellung in der Bezirksverordnetenversammlung. Letztlich wolle man ein „lebendiges Quartier für alle Berliner/innen und deren Besucher/Innen“ schaffen.

Dass das wenig glaubwürdig ist, ergibt sich nicht allein aus den enormen Investitionssummen. Unter vielen Beispielen über das Geschäftsgebaren des Herrn Benko sticht eines besonders hervor, weil es sich wie ein Prototyp dessen liest, was viele am Hermannplatz befürchten. Ein weiterer Signa-Shoppingtempel im italienischen Bozen: Als die Pläne für diesen Bau öffentlich wurden, hatte Benko fast die gesamte Öffentlichkeit gegen sich. Mit „intensiver Betreuung“ der Entscheidungsträger und einer immensen Kampagne in der Öffentlichkeit, Hochglanzbroschüren über seine Wohltaten und sogar der Gründung einer „Pro Benko Partei“ – begleitet von Klagen gegen seine Gegner – konnte er das Blatt wenden und seine Pläne durchsetzen. Die Gegner des Projektes und vor allem die kleinen Gewerbetreibenden, die übermächtige Konkurrenz und steigende Mieten fürchten, schauen seitdem in die Röhre.

Auch wegen solcher Geschichten haben sich viele Menschen rund um den Hermannplatz bereits entschieden – sie lehnen die Entwicklung ab. Auf einem ersten Vernetzungstreffen kamen zahlreiche Initiativen und Einzelpersonen zusammen, die sich gegen den Bau zur Wehr setzen werden. An ihrer Seite steht DIE LINKE. Friedrichshain-Kreuzberg. Wir lehnen die Pläne der Signa entschieden ab. Wir setzen uns für den Erhalt des Gebäudes und der dortigen Arbeitsplätze ein. Wir setzen uns selbstverständlich dafür ein, dass es kein Planungsrecht für ein Projekt gibt, welches absehbar die Verdrängung von Gewerbe und Wohnbevölkerung beschleunigen wird. Wir fordern die behutsame Weiterentwicklung des Hermannplatzes entlang der Bedarfe und Probleme der aktuellen Nutzer*innen und Bewohner*innen. Wir wollen keine Investorenträume verwirklichen, sondern die Stadt für alle.


[1]www.bz-berlin.de/berlin/neukoelln/berlin-bekommt-seinen-groessten-einkaufstempel-zurueck

klar.links Ausgabe #4 September/Oktober 2019