Bezirksamt übersieht soziale Brennpunkte

Kolja Fuchslocher

Die Versorgung mit Kita-Plätzen muss verbessert werden

Gespräche zwischen jungen Eltern landen schnell bei der Kitafrage: Habt ihr schon einen Platz? Wo habt ihr euch überall beworben? Und bei Erfolg: Wie habt ihr das geschafft? Am besten sollte schon vor einer Schwangerschaft mit der Platzsuche begonnen werden, wird vielerorts gespottet.
Auf dem Papier hat sich im Bezirk die Anzahl der »erlaubten« Kitaplätze von 2017 bis 2019 auf 15.809 erhöht, immerhin ein Plus von 539 Plätzen. Insgesamt sind aber lediglich 62 zusätzliche Plätze belegbar geworden, denn es fehlen Erzieher*innen. Und es existiert kein Kitaplatzvergabeverfahren: Alle bewerben sich individuell in verschiedenen Kitas und landen dort auf endlosen Wartelisten. Das treibt wiederum die Kitas in den Wahnsinn. Die Berechnungen des Bezirksamtes haben bis 2026 einen Bedarf von 1.348 benötigten neuen Kitaplätzen identifiziert. Die vorgelegten Planungen, die zur Abstimmung stehen, skizzieren Maßnahmen über 1388 neue Plätze für die frühkindliche Betreuung und Förderung. Das hört sich erstmal gut an: mehr Plätze als Bedarf. Doch diese Planung hat vor allem zwei Schwachstellen. Plätze auf dem Papier sind nicht unbedingt tatsächlich belegbare Plätze (siehe oben). Und die neuen Kitaplätze werden sehr ungleichmäßig im Bezirk verteilt.

Im Kreuzberger Nordosten (dem sogenannten Sozialraum 3) sind nur 30 Plätze geplant. Im Friedrichshainer Südwesten (Sozialraum 7) sind überhaupt keine Plätze vorgesehen. Beide Regionen zeichnen sich durch unterdurchschnittliche Betreuungsquoten aus. Es werden im Verhältnis also zu wenige Kinder in den für sie wichtigen Einrichtungen gefördert. In beiden Regionen existieren soziale Brennpunkte. Unterdurchschnittlich berücksichtigt ist aber auch der Nordosten von Friedrichshain. Eine angemessene Planung gemessen an den ermittelten Bedarfen lässt sich nur in Kreuzberg Südwest (Sozialraum 2) mit 347 neuen Plätzen und einer guten Reserve erkennen.
Die Kitaentwicklungsplanung muss daher nachgebessert werden. Dabei sind vier Ebenen zu beachten:
1. In der innerbezirklichen Verteilung muss eine bessere Berücksichtigung der unterversorgten Regionen und Brennpunkte erfolgen.
2. Eltern brauchen kurzfristig bei der Kitaplatzsuche bessere Unterstützung und Beratung, langfristig muss das bestehende Chaos z.B. über unterstützende bezirkliche Verteilungsinstrumente aufgelöst werden.
3. Der Senat muss den Kitaausbau und Betrieb gemäß den tatsächlichen Bedarfen finanziell sicherstellen.
Und 4. Die beschäftigten in den Kitas brauchen bessere Arbeitsbedingungen und mehr Anerkennung dafür, dass sie fünf Tage die Woche unsere Kinder liebe- und fantasievoll betreuen. Bessere Bezahlung ist ein relevanter Punkt. Wer dies bestreitet, verkennt den Personalmangel, der den Kitaausbau und Betrieb hemmt.

Kolja Fuchslocher
klar.links Ausgabe #2 März/April 2021